Galerie Fähnle Überlingen | kunst KUBUS am see

Seit der "Wiederentdeckung" der Galerie Fähnle 2007 wurde immer wieder über sie berichtet, vorgetragen, geschrieben, veröffentlicht. 2014 verfasste das Landesamt für Denkmalpflege eine ausführliche Begründung zur Eintragung des Kulturdenkmals in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg.

Auf dieser Seite finden Sie einige Texte, zum Teil als pdf-Dateien zum Öffnen, Blättern oder Herunterladen.

Erfahren Sie mehr über die glückliche Verbindung von

Baukultur und Kunst.

 

Die Situation 2010

 

Vor nunmehr 10 Jahren erschien der erste längere Bericht über die Galerie Fähnle in der Zeitschrift "Denkmalpflege in Baden-Württemberg" (Heft 1.2010).

 

Mit diesem Text sollte das einzigartige Ausstellungshaus mit seiner Sammlung aus dem "Dornröschenschlaf" wieder ins Überlinger und regionale Kulturleben zurückgeholt werden. Dahinter stand der Wunsch, kunstinteressierte Bürger anzusprechen, damit sie sich für die langfristige Erhaltung, Reaktivierung und neue Nutzung dieses besonderen Kunstortes engagieren.

Das Ergebnis war die Gründung des Fördervereins Galerie Fähnle e.V.

 

Lesen Sie selbst, wie alles begann ...

 

 

 

Der Maler Hans Fähnle - in Überlingen „verschollen“?

Städtische Galerie Fähnle, Goldbacherstraße 70

 

„Stell Dir vor, es gibt eine spannende, qualitätvolle Kunstsammlung in einem maßgeschneiderten Gehäuse - und keiner geht hin!“ Unter diesem Motto könnten wir in Abwandlung einer populären Frage nach der „verschollenen“ Galerie Fähnle forschen.

 

In einem beliebten Wohngebiet im Überlinger Westen gelegen, muss ihr Grundstück - Südwesthang mit unverbaubarer Seesicht - bei jedem kunstfernen Vermarkter große Begehrlichkeiten wecken. Der Beitrag wirbt um Verständnis für ein wertvolles künstlerisches Erbe und möchte die Diskussion über den künftigen Umgang beleben.

 

Volker Caesar 2009/2010

 

Galeriegebäude von Südosten, 2009. Foto: Volker Caesar

 

Brüderliche Verehrung

 

Bereits ein halbes Jahr nach dem Tod des Malers und Graphikers Hans Fähnle (1903-1968) beauftragte der vier Jahre ältere Bruder Ernst die Planung für das Ausstellungshaus. Zum ersten Todestag war es wohl fast fertig gestellt. Zu den Beweggründen berichtet Ernst Fähnle beim Galeriebesuch des Internationalen Bodensee-Clubs 1974: „Dass ich Sie hier begrüßen kann, verdanken Sie einem Versprechen, das ich meinem verstorbenen Bruder gegeben habe. Nämlich einen guten Querschnitt seines hinterlassenen Werkes zusammenzuhalten, solange mir das möglich ist. Zu diesem Zweck habe ich diesen Pavillon gebaut und darin ca. 400 Arbeiten, Ölbilder, Tempera und Aquarelle nebst der ganzen hinterlassenen Grafik untergebracht. ... Obwohl mein Bruder hauptsächlich vom Verkauf seiner Bilder lebte und demzufolge ein wesentlicher Teil derselben, und nicht der schlechtere, in Privatbesitz überging, hat er Dank seinem grossen Fleiss noch so viele gute Arbeiten hinterlassen, dass die hier untergebrachte Sammlung zustande kam.“

 

Ernst Fähnle (1899 - 1984) selbst war Diplomlandwirt und widmete sich im fortgeschrittenen Alter autodidaktisch der Bildhauerei: „Wenn ich meine Bildhauerarbeiten in die Galerie mit einbezogen habe, so geschah dies einmal, um den Raum besser zu gestalten [hier sicher auch der Außenraum, die Fassade des Sockelgeschosses, Anm. d. Verf.], andererseits weiss ich mich darin auch in Übereinstimmung mit meinem Bruder, dem ich es mit verdanke, dass ich mich noch im vorgerückten Alter, dem Jugendtraum einer zweckfreien schöpferischen Arbeit hingeben konnte."

 

Wo bitte geht’s hier zur Galerie?

 

Wer in Überlingen die Städtische Galerie Fähnle sucht, wird nicht so schnell fündig. Sollte er auf der Straße einen Einheimischen ansprechen, muss er in neun von zehn Fällen mit einem Achselzucken rechnen. Und nur die wenigsten Überlinger wissen, dass sich „ihre“ Galerie in dem begehrten Wohngebiet an der Goldbacher Straße befindet. In Prospekten der Stadt, der Region oder im Internet findet sich ein Zweizeiler etwa folgenden Inhalts: „Städtische Galerie Fähnle, Expressive Kunst 1920–1970, Goldbacher Straße, geöffnet in den Sommermonaten Juli, August, September - Mittwoch, Samstag, Sonntag von 15 bis 18 Uhr.“ Die regelmäßige Öffnung im Sommer liegt einige Jahre zurück.

 

Von der Altstadt bis zur hinteren Goldbacher Straße sind etwa 1,5 km Fußweg zurückzulegen. Dort wartet keine Hinweistafel, keine Vitrine vor dem Eingang, sondern nur das kleine Blechschild „Fähnle Galerie“ am zurückliegenden Gartentor. Vom Garteneingang führt ein gewundener Treppenweg durch den verwilderten Garten steil nach oben. Unvermittelt steht man vor der Sichtbetonwand des Sockelgeschosses, über der das Ausstellungsgeschoss weit auskragt. Die Betonflächen mit den lebhaften Abdrücken der Schalungsbretter tragen Figurengruppen aus flachem, rötlichem Steinguss und stimmen auf den künstlerischen Inhalt des Gebäudes ein. Nochmals geht es einige Treppen hinauf zur bescheidenen Eingangstür auf der Rückseite.

 

 

Ausstellungshaus für Gemälde und Plastiken und Kläranlage

 

Am 27. Januar 1969 erteilte die Untere Baurechtsbehörde des Landratsamts Überlingen die Genehmigung zur „Erstellung eines Ausstellungshauses für Gemälde und Plastiken und Kläranlage“. Als Planfertiger und Bauleiter wirkte der Überlinger Architekt Dipl.-Ing. Eugen Rugel. Er hatte seine Entwurfspläne im November des vorausgegangenen Jahres gezeichnet, die Rohbaukosten mit 45.000 DM und die Ausbaukosten mit 15.000 DM benannt. Im Frühjahr 1969 wurde mit dem Bau begonnen. Ob die optimistisch mit sechs Wochen angegebene Bauzeit eingehalten wurde, bleibt ungeklärt.

 

Abgesehen von der Aussage „Holzhaus gemäß beiliegenden Details“ enthält das Formular der Baubeschreibung kaum Informationen zur baulichen Gestaltung. Im Bericht des Prüfstatikers vom 8.2.1969 heißt es später:

„1. Es handelt sich um ein 1-geschossiges Gebäude mit Flachdach, in Hanglage, das zum Teil über das Fundament auskragt. Wellstegbinder als Dachkonstruktion, Bodenplatte mit Auskragung in Stahlbeton.

2. Die Wände sind als Fachwerk mit Spanplattenverkleidung vorgesehen. Die Ausführung erfolgt ohne Nachweis zimmermannsmäßig fachgerecht.

...

4. Die Aussteifung des Baues erfolgt durch das Holzfachwerk in den Wänden.“

 

Wie ein Fertighaus gebaut

 

Die Bauweise des „Ausstellungshauses“ zeigt die Merkmale eines Fertighauses: Über einem massiven Betonsockel wird in Trockenbauweise ein beplanktes, außen verputztes Fachwerkgeschoss errichtet. In diesem Falle ist das Sockelgeschoss nicht als Keller zugänglich. Es wurde mit Erdreich verfüllt. Wegen der starken Hangneigung ist es seeseitig in voller Höhe sichtbar. Seine geschlossenen Außenwände bestehen aus schalungsrauem Sichtbeton, ebenso die auskragende Untersicht der Deckenplatte, die sich nach außen hin verjüngt.

 

Die Fachwerkständer des Ausstellungsgeschosses mit einheitlichem Querschnitt von 80 x 120 mm stehen bei Außen- und Innenwänden in regelmäßigem Abstand von 1,56 m bzw. 1,69 m, in der Nebenraumachse auf 1,28 m reduziert. Als Tragwerk des Flachdachs dienen schlanke Wellstegträger aus Holz, die seinerzeit gerne als werkgefertigte, leichte Träger für größere Spannweiten eingesetzt wurden. Hier müssen sie den sieben Meter tiefen Ausstellungssaal überspannen, haben eine Bauhöhe von etwa 42 cm und Breite von etwa 10 cm.

Das Fachwerkgerüst der Wände und die Flachdachkonstruktion sind mit Holzfaserplatten, wasserfesten Span- und Zweischichtplatten verkleidet. Gipskartontafeln bilden die Innenraumschale. Die Fassaden tragen einen dünnen Verputz. Das Flachdach wurde mehrlagig mit Dachpappe abgeklebt und mit einer Kiesschüttung versehen, im Bauantrag als „Kiespressdach“ bezeichnet. Solche vergleichsweise schlanken Tragkonstruktionen aus Holz sind besonders schadensanfällig bei eindringender Nässe und bedürfen sorgfältiger Baukontrolle und -unterhaltung. Gerade erst musste ein Wasserschaden an der äußerst labilen Putzhaut repariert werden. Ein akutes Leck im Flachdach zieht neue Aufmerksamkeit auf sich.

 

 

Konsequent, streng, sparsam und fast ohne Fenster

 

Die dem Architekten gestellte Aufgabe erforderte auf dem steilen Hanggrundstück zunächst ein stabiles und hohes Sockelgeschoss, eine aufwendige Vorleistung. Der Nutzungswunsch nach möglichst viel Ausstellungs- und damit Wandfläche führte zu einem fensterlosen Saal mit fast 70 qm, der ausschließlich über sechs Lichtkuppeln erhellt wird. Diese Kombination von Sockel und Saal bestimmt denn auch die gebaute „Großplastik“, die hoch über der Straße aus dem dichten Grünbestand hervorschaut.

 

In der Denkmalliste heißt es dazu: „Der kleine Bau unterscheidet sich in Form und Zweckbestimmung von den übrigen Häusern der beliebten Wohngegend hoch über dem Seeufer. Ist er doch als nach außen streng abgeschlossenes Gehäuse konzipiert, dessen Hauptfront keine Fenster hat und als pure Form, rechteckig, hell verputzt, über dem Garten schwebt. Die Gegenüberstellung der unterschiedlich das Licht reflektierenden Flächen von Hauswand und Betonsockel mit ihrem starken Materialkontrast, ist ein charakteristisches Element der damaligen zeitgenössischen Architektur. Es wird hier auf kleinstem Raum angewandt und durch die Vermittlung der leicht schräg verlaufenden Kragplatte, auf der das Haus ruht, plastisch verstärkt, so dass im Ansatz der Eindruck einer großen Skulptur entsteht.“

 

Man bemerkt nicht sofort, dass die Außenmaße des Ausstellungsgeschosses ein exaktes Quadrat von 10 x 10 m bilden. Der darin entwickelte Grundriss ist ein Muster an Sparsamkeit, auf das Wesentliche der Galerienutzung reduziert. Über den Hauseingang auf der Nordseite erreicht man die Nebenraumzone mit Garderobe, Vorplatz, winziger Nasszelle und Abstellraum / Gemäldedepot, die zusammen etwa ein Viertel der Gebäudetiefe beanspruchen. Nur dort finden sich kleine Fenster, gleich dimensioniert, paarweise als Oberlichter. Direkt der Eingangstüre gegenüber geht es in den Ausstellungssaal. Man überschaut ihn mit einem Blick und findet mit 7 m Tiefe, fast 10 m Breite und knapp 3 m Höhe die harmonischen Dimensionen eines intimen Studios. Nur von oben belichtet überrascht selbst bei bedecktem Himmel die gute Ausleuchtung. Keine Fernblicke lenken von den Gemälden ab: Stattdessen sind die Bilder sowohl Ausblick als auch Einblick in die Welt des Künstlers.

 

Ausstellungsraum nach Westen. 2009. Foto: Volker Caesar

 

Lebensweg mit Einschnitten

 

In der jüngeren Vergangenheit wurde Hans Fähnle in drei unterschiedlichen Ausstellungen gewürdigt: 1990 sein graphisches Werk in der Galerie Albstadt, 1996 gemeinsam mit dem Stuttgarter Malerfreund Rudolf Müller in der Städtischen Galerie Böblingen und 1999 in einer Gemeinschaftsausstellung in der Kunststiftung Hohenkarpfen und in Überlingen. In den dazu erschienenen Katalogen finden sich die wesentlichen Stationen des Lebenslaufs und der künstlerischen Entwicklung, nachfolgend verkürzt wiedergegeben.

 

Am 12. Juni 1903 in Flein bei Heilbronn geboren, wo der Vater Schulrektor war, wurde seine Schulzeit am Karlsgymnasium in Heilbronn und den Theologischen Seminaren in Schöntal und Urach mit dem Abschluss des Abiturs durch den Krieg überschattet. Zunächst mit dem Berufsziel Zeichenlehrer begann er 1922 seine künstlerische Ausbildung an der Kunstgewerbeschule und studierte dann bis 1925 an der Kunstakademie Stuttgart bei den noch impressionistisch geprägten Professoren Robert Poetzelberger, Christian Speyer und Robert Breyer. 1925-28 setzte er die Ausbildung an der Kunstakademie Kassel als Meisterschüler von Georg Burmester fort und baute zuletzt seine graphischen Fertigkeiten in Berlin bei Hans Meid bis 1931 weiter aus.

 

Er nutzte die Studienzeit zu Malaufenthalten am Bodensee und in Südfrankreich, später in Venedig und Florenz. Der Umzug der Eltern in ihren Alterssitz in Überlingen - Grundstück auf dem „Eglisbohl“ direkt oberhalb der heutigen Galerie Fähnle - festigte den Bezug zur Landschaft am See. Noch bevor sich Fähnle endgültig in Stuttgart niederließ, hielt er sich 1931-35 regelmäßig in Hofheim nahe Frankfurt am Main bei der befreundeten Malerin, späteren Galeristin und „Botschafterin der Kunst“ Hanna Bekker vom Rath auf. Durch Bekkers entschiedenes Engagement für die ungeliebte oder auch unverstandene Avantgarde trafen schon Ende der zwanziger Jahre in ihrem Hofheimer „Blauen Haus“ Künstler und Sammler zusammen. Eine Begegnung, die den jungen Maler nachhaltig beeindruckt haben wird.

 

Seinem noch geringen Bekanntheitsgrad ist es zuzuschreiben, dass Fähnle durch die Nationalsozialisten nicht mit Ausstellungs- oder gar Malverbot belegt wurde. Doch mit seiner expressiven künstlerischen Haltung konnte er sich nicht auf dem nach 1933 gleichgeschalteten Kunstmarkt etablieren. Sein Bruder schilderte diese schwierige Phase: „Die Hitlerzeit lässt ihn sehr zurückgezogen leben. Einigen treuen Freunden [darunter der Stuttgarter Rechtsanwalt Richard Schippert, Anm. d. Verf.] verdankt er das Existenzminimum, denn er hat nun endgültig darauf verzichtet, Zeichenlehrer zu werden. Im Krieg, den er von 41-45 bei einem Transportsicherungsregiment in Russland, Frankreich und Balkan mitmacht, verschafft ihm das Verständnis seines Hauptmanns, des verstorbenen Überlinger Gerichtsvollziehers Hege kurze Zeit die Möglichkeit, einiges zu schaffen. So entsteht die Passion 1942 ... als Lithographie-Folge ...“

 

Neubeginn und Wiederaufbau

 

Bei der Rückkehr aus dem Krieg fand er das Stuttgarter Atelier mit zahlreichen seiner Werke durch Bomben zerstört. Zu diesem Verlust kam ein beginnendes Leiden, das ihn von nun an nicht mehr los lassen würde. Dazu Ernst Fähnle: „Schon im Krieg macht ihm eine schmerzvolle Krankheit in den Beinen, die er sich durch das eigene Farbenreiben zugezogen hatte, nahezu schlaflos [eine Folge des ungeschützten Umgangs mit schwermetallhaltigen Farben, Anm. d. Verf.]. Diese verschlimmerte sich mit den Jahren immer mehr, ohne dass eine Therapie zu finden ist. Sie überschattet natürlich die Arbeit ...“

 

Aber von Entmutigung keine Spur. Er traf wieder auf Rudolf Müller, den Malerfreund der frühen Akademietage. Gleichfalls ausgebombt beteiligten sich beide am Wiederaufbau des städtischen Ateliergebäudes am Stuttgarter Ameisenberg, wo sie 1948 benachbarte Ateliers beziehen konnten. Fähnle arbeitete und wohnte dort bis zu seinem Lebensende. Daneben begleiteten Künstlerfreunde wie Eugen Stammbach, Wilhelm Geyer, Franz Frank oder Joseph Kneer seinen weiteren Weg. Die Teilnahme an zahlreichen Ausstellungen spiegelt Fähnles künstlerische Aktivitäten ebenso wie seine Lehrtätigkeit an der mitgegründeten Freien Kunstschule Stuttgart 1947-50 oder die Mitgründung der Freien Ausstellergruppe des Württembergischen Kunstvereins. Neben der Malerei beschäftigten ihn in den fünfziger Jahren öffentliche Aufträge, darunter Sgraffiti und Großmosaiken an Stuttgarter Bauten.

 

Auch in der Folgezeit reiste Fähnle wieder, ans Mittelmeer, nach Paris und immer wieder zu Malaufenthalten ins Überlinger Elternhaus. Die hinterlassenen malerischen Arbeiten sind ergiebig und vielseitig. Unter den Themen der letzten Jahre spiegeln jedoch seine Selbstbildnisse die fortschreitende Erkrankung, die ihm zuletzt unerträglich wurde. Im Alter von fast 65 Jahren am 12. März 1968 nahm sich Hans Fähnle das Leben.

(Anm. d. Verf.: Nach heutigem Kenntnisstand starb er an den Folgen eines krankheitsbedingten Sturzes in seinem Stuttgarter Atelier.)

 

Expressiver Realismus

 

„Zwischen den beiden Postulaten: Realisationsdichte wie bei [Hans von] Marees und impressionistisch-expressionistischer Farbigkeit und Peinture spielt sich seine ganze weitere Arbeit ab.“ Mit diesen knappen Worten umschrieb sein älterer Bruder das künstlerische Leitbild Hans Fähnles. Die Kunstgeschichte rechnet den Maler dem Expressiven Realismus und der sogenannten „Verschollenen Generation“ zu. Zwischen 1890 und 1905 geboren, musste seine Künstlergeneration zwei Weltkriege durchstehen. Ihre Ausbildung erhielt sie bei Professoren, die noch dem 19. Jahrhundert und impressionistischer Sehweise verbunden waren. Daneben standen neue Vorbilder wie Corinth, Munch, van Gogh oder Cezanne. Die Zwischenkriegszeit reichte für viele nicht, sich im Kunstleben so zu etablieren, dass die gewonnene Anerkennung für einen gesicherten Neubeginn nach dem zweiten Weltkrieg ausreichte.

 

Hans Fähnle war in dieser Phase zunächst mit seiner Ausbildung beschäftigt. Die folgenden zwölf Jahre Nationalsozialismus bremsten die weitere Entwicklung aus. Der künstlerische Aufbruch in den späten vierziger Jahren konnte sich zunächst auf ein breites Fundament stützen. Aber, wer aus dieser Generation der gegenständlichen Malerei treu blieb, wurde gerade im Stuttgarter Kunstbetrieb bald durch die bevorzugt geförderte, abstrakte Moderne um Willi Baumeister an den Rand gedrängt. Auch Fähnle musste dies erfahren.

 

Seine Bildthemen waren die Landschaft, das Porträt, die menschliche Figur und das Stillleben. Neben den Reiseeindrücken beschäftigten ihn bis zuletzt die Bodenseelandschaft, religiöse Themen und Szenen existenzieller Erfahrung und des Leidens, Ausdruck eigener Kriegserlebnisse und persönlicher Krankheit.

 

In den frühen Arbeiten Fähnles wirkte noch der malerische Impressionismus seiner Lehrer nach. Doch schon in den dreißiger Jahren verdichteten sich die Bildaussagen zu kompakten Farbflächen, ohne jedoch die Gegenständlichkeit zu verlassen. Der pastose Farbauftrag verstärkte sich später bis zum dicken Spachtelauftrag, der den Gemälden zusätzliche Plastizität und Reliefwirkung verleiht. In den sechziger Jahren gelang es ihm, Bildnisse oder Landschaften so auf ihre Grundaussagen zu verdichten, dass seine Gemälde eine eindringliche Zeichenhaftigkeit erreichen. Unter diesen Motiven entfalten die sogenannten „Dückdalbenbilder“ eine besondere Faszination: Einzelne Pfähle oder Pfahlgruppen im Wasser werden mit Himmel, Sonne und Spiegelungen zum unverwechselbaren „Extrakt“ seiner Bodenseelandschaften.

 

Der Überlassungsvertrag

 

Durch einen Überlassungsvertrag übergab Ernst Fähnle das Grundstück mit Ausstellungspavillon und den darin enthaltenen Sammlungen von Hans und Ernst Fähnle an die Stadt Überlingen. In § 2 des Vertrags erfährt man, wie sich die Partner den Umgang mit der Sammlung vorstellten:

 

„Die Stadt Überlingen verpflichtet sich, auf die Dauer von fünfzig Jahren ab 1. Januar 1975 den künstlerischen Nachlaß unter der Bezeichnung „Fähnle-Stiftung“ (unechte Stiftung) geschlossen zu erhalten und der Öffentlichkeit zu Ausstellungen zugänglich zu machen.

Die Stadt kann Kunstwerke der „Fähnle-Stiftung“ anderen Galerien und Museen als Leihgabe für Ausstellungszwecke vorübergehend zur Verfügung stellen.

Die Stadt ist umgekehrt berechtigt, aus Gründen der Attraktivität der „Fähnle-Stiftung“ in dem Ausstellungspavillon gelegentlich auch Ausstellungen mit Werken anderer Künstler zu veranstalten oder Kunstwerke der Gebrüder Fähnle zusammen mit anderen Werken auszustellen.“

 

Diese Absichten lassen an eine rege Ausstellungstätigkeit denken - ambitioniert entworfen, jedoch nur mit genügend personellem und fachlichem Aufwand umsetzbar. Das konnte die Stadt schon damals nicht leisten. In Briefen und Vermerken aus den achtziger und neunziger Jahren finden sich immer wieder Hinweise auf die unzureichende Präsentation, Probleme bei der Öffnung, die schwere Erreichbarkeit und fehlende Parkplätze oder die mangelnde Pflege des Gartens. Über die Jahre verirrten sich nur wenige Besucher in die Galerie. Das Auslegen von Handzetteln mit knappen Fachinformationen zur Sammlung und geregelte Öffnungszeiten waren „vergebliche Liebesmühe“. Hans Fähnles Werk musste daher zwangsläufig als „verschollen“ gelten.

 

 

Es gibt viel zu tun ...

 

Bevor sich der Blick auf zukünftige Konzepte richten kann, bedarf es einer gründlichen Bestands- und Schadensdokumentation von Gehäuse wie Sammlung. Die Galerie ist mittlerweile 40 Jahre im Gebrauch. Offenkundige Schäden an Dach und Außenwänden sind das Signal für eine sorgfältige Revision des gesamten Tragwerks.

 

Mit der Inventarisation aller Kunstwerke - ein Fernziel wäre die Erarbeitung eines Werkverzeichnisses - ist insbesondere der Zustand der Sammlung zu erfassen. Der Bericht der Restauratorin Hilla Grosse lieferte schon 1999 Hinweise auf restauratorischen Handlungsbedarf. Akute Schäden einzelner Kunstwerke bestätigen, dass gezielte Sicherungsmaßnahmen nicht länger aufgeschoben werden dürfen.

 

Jede Kunstsammlung braucht ein solides, fachliches Fundament, das ständig verbreitert und aktualisiert werden muss. Für eine solche Daueraufgabe könnten externe Fachleute und Studierende zur Mitarbeit gewonnen werden, vielleicht sogar an Orten der künstlerischen Ausbildung Fähnles. Ein weites Feld steht hier zur Bearbeitung an: Die Überprüfung des Bestandes in Überlingen, des künstlerischen Nachlasses im Familienbesitz, der Werke in öffentlichen Sammlungen oder in Privatbesitz bis hin zur Kunst an Stuttgarter Bauten. Parallel dazu sollte die Beschäftigung mit der Künstlerbiographie vertieft werden und die Auswertung von Nachlässen, Archivalien, Ausstellungsberichten, Ausbildungsstationen oder „Kreuzungspunkten“, wie die Begegnung mit Hanna Bekker vom Rath, erfolgen.

 

Mit wachsender Sammlungs- und Werkkenntnis kann man sich Schritt für Schritt neuen und tragfähigen Konzepten für Betrieb, Präsentation oder Kooperationen nähern. Die Denkmalpflege ist zu maßgeblicher Mithilfe bereit.

 

Dipl. Ing. Volker Caesar

Buttenwegle 32

72108 Rottenburg

 

 

Literatur und Quellen

 

Ansprache Ernst Fähnle anlässlich des Besuchs des Bodensee-Klubs in der Galerie Fähnle am 14. Dezember 1974. Manuskript im Stadtarchiv Überlingen.

 

Öffentliche Urkunde über Überlassungsvertrag zwischen Ernst Fähnle, Dipl. Landwirt und Bildhauer in Überlingen und der Stadt Überlingen [...] 1975. Beglaubigte Abschrift im Stadtarchiv Überlingen.

 

Hans Fähnle (1903-1968). Passion und andere Zeichnungen. Ausstellungskatalog Städtische Galerie Albstadt, mit einer Einführung von Adolf Smitmanns. Albstadt 1990.

 

Rainer Zimmermann: Expressiver Realismus. Malerei der verschollenen Generation. München 1994.

 

Mythen aus der Farbe. Rudolf Müller / Hans Fähnle. Ausstellungskatalog Städtische Galerie Böblingen, mit einer Einführung von Eva-Marina Froitzheim. Böblingen 1996.

 

Hans Fähnle 1903-1968. Ein Maler der verschollenen Generation. Ausstellungskatalog Kunststiftung Hohenkarpfen und Stadt Überlingen, mit Beiträgen von Isabel Grüner und Hilla Grosse. Hausen ob Verena / Überlingen 1999.

 

 

 

Den Beitrag in der Zeitschrift

"Denkmalpflege in Baden-Württemberg" (Heft 1.2010)

finden Sie nachfolgend als pdf-Datei zum Lesen oder Herunterladen

 

Die Situation 2013

 

"Eine faszinierende Kunstsammlung im maßgeschneiderten Gehäuse"

 

Dies Überschrift trägt ein Bericht über die Galerie Fähnle im Jahrbuch "Leben am See 2013" von Volker Caesar und Corinna Wagner-Sorg. ...

 

Jahrbuch 'Leben am See' 2013 > Caesar/Wagner-Sorg: Die Galerie Fähnle in Überlingen - Eine faszinierende Kunstsammlung im maßgeschneiderten Gehäuse.
Jahrbuch Leben am See 2013 - Die Galerie[...]
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Die Situation 2015

 

Mit Wirkung vom Juli 2015 wurde die Galerie Fähnle - Ausstellungsgebäude einschließlich Sammlung - als Sachgesamtheit gemäß §12 Denkmalschutzgesetz in das Denkmalbuch des Landes Baden-Württemberg eingetragen. Lesen Sie in der nachstehenden pdf-Datei den Wortlaut des Eintragungsgutachtens. 

 

Galerie Fähnle mit künstlerischem Nachlass Hans Fähnle | Gutachten zur Eintragung in das Denkmalbuch Baden-Württemberg
Galerie Fähnle. Eintragungsgutachten § 1[...]
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